Finnenhäuser                                          

Wie kam es dazu, dass im Dritten Reich Fertighäuser aus Finnland
gebaut wurden?

Die ersten Verhandlungen wurden während des Finnisch-Russischen
Krieges 1939/1940 seitens Finnlands angestrebt. Doch wurden sie von der
deutschen Seite abgelehnt wegen des Hitler-Stalin-Pakts - sogar von Hitler
persönlich, weil finnische Offiziere Häuser gegen deutsche Waffen tauschen
wollten. Erst der zweite finnische Anlauf führte zu Verhandlungen.
Das war 1941, als klar war, dass das Deutsche Reich gegen Russland Krieg
führen würde. In dieser Zeit wurden bereits deutsche Städte bombardiert.
Besondere Angriffsziele waren die Städte mit Rüstungsindustrie, zum Beispiel
Kiel, Rostock, Lübeck und Hamburg. Für die ausgebombten Rüstungsarbeiter
musste schnell Ersatzwohnraum geschaffen werden. Da bot sich der
finnische Handel an, Häuser gegen Getreide und Waffen zu tauschen.
1942-1944 wurden die Häuser geliefert. Die Planungs- und Bauzeit der
Siedlungen war von 1941-1945.

Die Geschichte der Finnenhäuser ist also eine höchst politische.
Wurden die Verhandlungen damals auf höchster Ebene über den Bau geführt?

Ja, es war die ganze Führungsebene im deutschen Reich mit eingeschlossen:
Speer für Rüstung und Kriegsproduktion, Dr. Robert Ley als Reichswohnungskommissar,
Erhard Milch als Stellvertreter von Göring für die Luftwaffenproduktion zuständig -,
sowie die jeweiligen Gauleiter, in deren Gauen die Siedlungen errichtet werden sollten.
Vom 13.06.1941 bis zum 18.06.1941 fanden im Reichswohnungsministerium in Berlin Besprechungen zwischen Behördenleitern, Architekten und zwei finnischen Vertretern
von der Firma Puutalo Oy, Helsinki, statt. Besonders zu erwähnen ist Professor Dr. Spiegel
der als Gebäudeplaner teilnahm. Dr. Spiegel war seit 1941 Leiter der
Abteilung 4 „Gebäudeplanung“ beim Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau und Präsident der Abteilung „Normung und Typung“ der Deutschen Akademie für
Wohnungswesen e.V.

Die Finanzierung übernahm zunächst das Deutsche Reich, die Kosten sollten später
auf Gemeinden, Bauträger und Hausbesitzer umgelegt werden.
Bei den Gesprächen ging es auch um Details. Die deutsche Seite hätte z. B.
gern ein Walmdach gehabt. Die Finnen wiesen darauf hin, dass man schon
Häuser habe und diese serienmäßig in Fabriken herstelle. Auf diesem Gebiet
war die finnische Holzindustrie führend; die Deutschen hatten seit 1938 den Plan,
Wohnhäuser fabrikmäßig zu bauen. Trotz Wunschdenken und Ideenreichtum
hinkte die deutsche Holzindustrie weit hinterher.
Die Gebäudevorschläge, also die Grundrisse der Häuser, passten sehr gut in
die sozialarchitektonische ideologische Vorstellung der Nationalsozialisten.
Allerdings war das Holzhausprojekt wegen der hohen Brandgefahr auch recht umstritten.

Wo wurden Finnenhaus-Siedlungen errichtet?

Wie ich bis jetzt herausgefunden habe, gab es drei Finnenhaustypen. Die
für die Marine-Industrie verwendeten eingeschossigen Typen „Helsinki“
und „Lahti“ wurden in Schleswig-Holstein in Ascheberg, Bordesholm,
Einfeld, Flintbek, Lübeck, Preetz, Wedel und Schönberg i.H. errichtet. In Wedel
gibt es außerdem noch den zweigeschossigen Typ „Kotka“. Außerhalb
Schleswig-Holsteins wurden die eingeschossigen Typen in Köln, Rostock,
Rathenow und in Metzingen in Baden-Württemberg gebaut.
Der für die Luftwaffenindustrie gebaute Typ war um ein Zimmer - also 10
qm - größer und wurde in folgenden Orten gebaut: in Brandenburg in Basdorf,
Ludwigsfelde, Marienfelde, Oranienburg und Prenzlau. In Sachsen in
Dessau-Alten. In Mecklenburg-Vorpommern in Anklam und Peenemünde.
In Nordrhein-Westfalen in Berghausen-Friedlingsdorf. In Niedersachsen in
Delmenhorst, Hannover-Langenhagen und Hannover-Wülfel. In Bayern in
Ainring, Augsburg-Haunstetten und Hof. Außerdem wurden sie noch im so
genannten „Luftschutzkeller Österreich“ gebaut: in Enzesfeld, Spittel/Drau,
Waidhofen/Ybbs, Wien-Neudorf sowie in Wiener-Neustadt. Alle geplanten
36 Siedlungen wurden gebaut, insgesamt 3.600 Doppelhäuser.

Wer errichtete die nach Deutschland gebrachten Finnenhäuser an ihrem Bestimmungsort?

Die Auftraggeber waren in erster Linie Marine-Werften und Werke für
Flugzeuge oder Flugzeugmotoren. Diese übergaben die Planung der Siedlungen an die Reichheimstätte. Den Aufbau der Häuser übernahmen einheimische Baufirmen, mit wenigen deutschen Fachkräften und mit Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen. Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene wurden eingesetzt, weil die meisten deutschen Fachkräfte an der Front waren. Die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen kamen aus ganz Europa.
KZ-Häftlinge habe ich nur beim Bau der Siedlung Köln gefunden. Diese kamen als
Baubrigade aus Buchenwald. Die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen hatten meist ihr Lager dicht oder sogar in der zu bauenden Siedlung.
Die große Baracke sollte später als Behörde und Gemeinschaftshaus dienen,
was auch mancherorts geschah.

Autor:
Peter Plischewski, Jahrgang 1965, ist ein so genanntes "Finnenhauskind" aus Neumünster-Einfeld, geboren und aufgewachsen in einem Fertighaus aus finnischer Produktion.

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Grundriss einer rechten Hälfte mit Kellerausgang (ca. 1945)

         

unten: Giebelansicht

                                                                       

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